KUNST/MITTE Notes

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Dorothea Hertel – In den Grenzen der Grenzenlosigkeit

03.09.2020, Dorothea Hertel

Eine markante schwarze Kontur grenzt den Oberkörper eines Mannes auf der Fläche des Gemäldes ab. Diese scharfe Abgrenzung zwischen Figur und Umgebung gehört zur Stilistik der Malerin Dorothea Hertel. „So zu malen hat sich mit der Zeit ergeben“, sagt die 31-jährige Magdeburgerin zur Herausbildung ihrer Handschrift. Doch es mag mehr dahinterstecken, als dass diese prägnanten Linien nur als ein Stilmittel gehalten werden könnten. Vor jedem Anfang ist nichts, und Dorothea Hertel interpretiert dies offenbar auf einer zu gestaltenden Oberfläche mit einer schwarzen Grundierung. Aus dieser Finsternis arbeitet sie ihre Motive heraus. Es bleibt also ein Zwischenraum aus dem Untergrund oder des Ursprungs stehen. Und so wird das scheinbar Trennende auch zu einer Verbindung. Über eine gelungene Linie kann sich die Künstlerin freuen, und deshalb würde sie am liebsten Tag für Tag in ihrem Atelier im Magdeburger Stadtteil Fermersleben verbringen.

Das Faible zum Malen entdeckte Dorothea Hertel schon früh und die Eltern förderten ihr Talent. Das Burg-Gymnasium Wettin bei Halle an der Saale war ihr von 2004 bis 2007 Lebensmittelpunkt und Schule. Die Auseinandersetzung mit Techniken, die Konfrontation mit Formen und Ausdruck sind ihr also lange Lebensbegleitung. Allerdings zog sie eine scharfe Trennlinie nach dem Ablegen des Abiturs zwischen Schule und weiterem Leben. Neuseeland hieß das Ziel, von dem sich ihre Vergangenheit des Heranwachsens abgrenzen sollte. Aber der Schnitt baute am Ende nur eine Brücke zu allem Bisherigen. Nach wenigen Monaten verließ Dorothea Hertel das Land auf der südliche Erdhalbkugel wieder, um sich der Passion Kunst zu zuwenden. An der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig absolvierte sie eine Probewoche bei Neo Rauch. Dem missfiel ihre Darstellung eines blauen Himmels. Ein rosa Firmament wollte die angehende Künstlerin jedoch nicht malen. Schließlich studierte sie dann Spiel- und Lerndesign an der Kunsthochschule Halle Burg Giebichenstein. Mit dem Abschluss 2011 und den Erfahrungen aus ersten Ausstellungen stand für sie der Entschluss fest, freischaffende Künstlerin zu werden. Dies war mit der Rückkehr zu ihren Magdeburger Wurzeln, in die HO-Werkstatt von Volker Kiehn verbunden. Beim Bildhauer und Objektkünstler hatte sie bereits ein Praktikum absolviert. Es hat sich halt so ergeben, mag Dorothea Hertel vielleicht dazu sagen.

Ihre Werke mögen deutlich ihre Malweise zeigen, und man könnte auf den ersten Blick glauben, darin eine Abgrenzung zu anderen Künstlern oder eben einen Ausriss von der Wirklichkeit zu erkennen. Wer länger hinschaut, erkennt jedoch Beziehungen zwischen der schwarz eingerahmten Figur und anderen Bildelementen. Und wer die Bildsprache wirken lässt, verflechtet sich mit dem dargestellten Moment. Es schwingt nämlich Ironie in einem Hertel-Ensemble mit. Eine kuriose Alltagsungeschicklichkeit wie in einem alten Stummfilm offenbart sich dem Betrachter und stellt den Zusammenhang zu eigenen Misslichkeiten her, wie, etwas zu verschütten oder es rutscht ausversehen ein Gegenstand aus einer Hand. Den düsteren, nachdenklichen Blick eines Menschen, der sich unbeobachtet fühlt oder den träumerischen Ausdruck einer Sehnsucht hat Dorothea Hertel irgendwo entdeckt und mit Farben aus dem Schwarz einer Leinwand herausgearbeitet. Schwarzer Humor, der Finsternis mit Farben begegnen und Reflexionen erzeugen – das sind Beziehungen, die Dorothea Hertel mit ihren Bildern herstellt. Wahrscheinlich ist das für sie wie ein Lebensweg und damit wie ein ständiges Heraustreten aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Ein Bild ist keine Vergangenheit, sondern gegenwärtig für die jeweiligen Betrachter. Dorotheas Hertels schwarze Umrisse sind Kommunikation und Sichtbarmachung. Ihren Linien kann man sich schwer entziehen. Es ist als würde sie in den Grenzen der Grenzenlosigkeit ein Band zwischen sich, dem Werk und dessen Beschauern erzeugen. Thomas Wischnewski

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