Lecture Performance: Ich ist ein anderer dieses wir bin nicht ich eine Pfeife (Metaware)
Ein Abend von und mit Mark Waschke
Was soll das nun sein „Eine Lecture Performance von und mit Mark Waschke?“ Dazu dieser sperrige Titel: Ich ist ein anderer dieses wir bin nicht ich eine Pfeife. Vorgelesen wird nicht. Dafür gesprochen, gefragt, geantwortet, gespielt und gesungen. Kein Abend wie der andere. Die Zuschauer erwartet ein rasant-facettenreicher Mark Waschke.
Weiß dieser immer, was er will und worum es geht? Zieht er sich wieder aus? Ist das egal? Soll sich doch jeder selbst überlegen. Auch wer er ist. Was echt ist, spürt jeder. Oder jeder anders? Vielleicht auch nichts. Dann kann man ja früher gehen. Und morgen ist sowieso schon wieder alles anders. Aber wer ist überhaupt dieser Mark Waschke?
Als Schauspieler ist er vielen Fernsehzuschauern als rotzig unsympathischer Berliner Tatortkommissar bekannt. Ansonsten spielt er alles, was es in Filmen, Fernsehspielen und im Theater Großes, gerne auch mal in kleinen Rollen, zu spielen gibt. Zusätzlich ist Waschke auf feinen Nischenveranstaltungen zu finden. Dort liest oder spricht er, ist Teil eines Kunstprojektes. Frei nach Lust, Laune und der Devise: „Willst du was gelten, mach dich selten.“ Als festes Mitglied der Berliner Schaubühne gibt er seit diesem Jahr sein eigenes Soloprogramm.
Schwarz, hoch und im runden Hörsaal-Style verleiht das „Globe“ der Schaubühne der Lecture Performance den passenden Rahmen. Manche Besucher mögen sich unweigerlich an ihre Studentenzeit erinnern. Professoren und Dozenten hielten ihre guten und schlechten Vorlesungen ab. Bestaunt, belauscht, manchmal zur Belustigung und Unterhaltung der Studenten. Bei vielen war und ist der Hörsaal auch Bühne. Bisweilen nicht zum Schaden der Studierenden. Geschichten, Anekdoten, dramaturgisch angepasst und bildhaft vorgetragen, bleiben besser hängen als dröges von Folien abgelesenes Fachwissen. Die Verschmelzung zwischen akademisch-diskursiver Reflexion und schöpferischem Prozess weitet sich in unterschiedliche Lebensbereiche aus. Schriftsteller, Dichter, Komponisten, Künstler, Schauspieler… Sie alle bekommen Raum und Projektionsfläche auf Symposien, Kunstfestivals und Bühnen.
Selbstdarstellerisches Sendungspotential ist dabei eine nützliche Eigenschaft, denn die Zuhörerschaft soll sich ja nicht langweilen. Mark Waschke wollte Fußballspieler, Kardinal, Missionar oder Selbstdarsteller werden, sagt er. Letzteres scheint spätestens mit seiner Performance gelungen zu sein. Bevor es richtig losgeht, bereitet er sich selbst die Bühne. Putzt bodenständig, akribisch und mit Lappen und Schrubber seine Spielfläche. Denn wo es lichter und glänzender werden soll, muss der alte Dreck weg. Wenig später wird klar, er putzt und räumt sein Leben, sein eigenes Selbst auf. Was ist das überhaupt? Und dann das innere Kind. „Das sperre ich heute mal in den Keller“, findet Waschke an diesem Tag. Schließlich trainiert dieser noch immer die Trennung von seiner Frau. Beiläufig sagt er das, und trotzdem stellt sich kurz andächtige Stille ein. Allein in der großen Wohnung beobachtet er die Vermehrung der Wollmäuse, fragt sich und die anderen nach den Beziehungen zu sich und der Welt. Das geht nicht ohne radikales Aufräumen und Ausmisten! Wisch und weg. Oder ist da noch etwas gut und darf bleiben?
Waschke zelebriert das Großreinemachen und lässt tief in Abgründiges blicken. Referiert über sich, seine Familie, Ehe, Paartherapie und Sex. Ein Mann in der Mitte des Lebens offenbart seinen Seelenschmerz. Liebe und Enttäuschung klingen, schnarren und schnoddern. Voller Intimität gesteht er, dass er gerne spült. Aber nur mit der weichen, sensiblen Seite des Spontex-Schwamms. Die Lebenslust quillt, wie zum Protest, aus seinen Poren. „Der Körper regelt alles“, meint Waschke und übt sich weiter schwitzend in „psychophysischer Präsenz“. Mit jeder Faser seines trainierten Körpers windet er sich, läuft, turnt und singt dazu.
Bei „Arbeiter und Bauern“ von Ernst Busch marschiert er stapfend über die Bühne, um danach sein „Ich weiß was ich will“ von Udo Jürgens gefühlvoll herauszuschreien. Ein Liebesbeweis an seine Frau. Liebt sie ihn noch?! Und er? Singt das Lied trotzdem. Das Psycho-hygienische Putzen findet einen rauschartig-dramatischen Höhepunkt zu „I want to break free“. Authentisch vorgetragen mit nacktem Oberkörper.
Diese Lecture Performance ist kein verschwobeltes Kunststück. Eher eine explosive Wundertüte mit provozierend intimen Ein- und Ausblicken. Lustvoll, komisch, spontan, sehnsüchtig, nachdenklich, musikalisch und unterhaltsam. Alles drin, mit flott galoppierenden Wechseln. Geschärft wird der Blick auf das Leben und die Liebe.
Außen wie innen ist es, nach all den Strapazen, womöglich aufgeräumter und lichtdurchfluteter. Eine neue, frische Sicht und Haltung entstehen. Auch Mark Waschke gegenüber: Ein reflektierter Mann, der leidenschaftlich reden, singen, tanzen und nachhaltig berühren kann.
Vorstellungen im September und November 2019
Mit Mark Waschke und Musiker Oliver Urbanski
Schaubühne am Lehniner Platz
Kurfürstendamm 153
10709 Berlin
Telefon: 030 890023
PS: Abonnieren Sie unseren Newsletter, wenn wir Sie über Kunst und Kultur in Mitteldeutschland auf dem Laufenden halten sollen.