KUNST/MITTE Notes

Das Web-Magazin für Kunst und Kultur in Mitteldeutschland.

Von heiliger Scheiße und Pionieren

09.08.2019, Wolfgang Krebs
Hot Dog Cart 3, ELIOT the Super, 100 x 100 cm

Es wird bald September. Die Zeit der Farben beginnt. Es wird Herbst. Die Kunstmesse im AMO Kulturhaus ist wie das Signal dazu. Die Kunst/Mitte gibt einem Künstler aus einer anderen Region die Möglichkeit, seine kreative Heimstatt in Magdeburg ein Jahr lang zu finden und die Kunstshow als spezieller Gast mit einzufärben. Das nennt sich dann unter Linguisten „Artist-in-Residence“ (Künstler in Residenz) und hilft dem internationalen englischsprachigen Publikum bei der Verständigung. International ist er auch unterwegs, der Eliot aus München, der auserwählte Künstler.

Seine Liste mit Ausstellungen seit 2014 ist lang und Orte wie München, Hamburg, Köln, Berlin wirken eher wie Pillepalle gegen Wien, London und Los Angeles. Die Liste ist länger und umfangreicher. So umfangreich wie sein Wirken. Studium in Wien, arbeiten in Berlin, leben in München. Eliot gehört zu den Pionieren des HipHop, veröffentlicht mit Dendemann, Stephen Marley, Hanin Elias … Eliot beschäftigte sich mit Beatbox, Breakdance, TrashMetal. Zu Michael Mittermeiers Track KumbaYo lieferte er den Beatbox Sound. Er publizierte Comics mit Titeln, die nach Achtzigerjahre-Porno klingen wie „Exzesse im Frauenknast“ oder nach Bastei Krimi „Ich jagte Jack the Ripper“ … Es wäre müßig, all das aufzuzählen, mit dem Eliot sich beschäftigte, bevor es bedeutend wurde, Kultstatus bekam oder von der Masse beliebig gemacht wurde. Seinen ersten Auftrag bekam er mit fünfzehn: den Messestand eines Handyproduzenten gestalten. Mit Graffiti Geld verdienen. Mit viel Spaß, in kurzer Zeit mehr verdienen, als seine Freunde bei einem stupiden Ferienjob. Krass. Cool. Die Initialzündung für seine Zukunft. Heute, als bildender Künstler, arbeitet er immer noch mit den Mitteln, die seine Wurzeln bereithalten und mit Arbeitsweisen und Mitteln, die er erst begreifen und lernen musste. Ohne sich zu verleugnen, fand er seinen eigenen Stil, seine unverkennbare Bildsprache und nutzt die Gesetze des Kunstmarktes, ohne die es nicht geht. Einige Wochen im Jahr Kunden abarbeiten halten ihm finanziell den Rücken frei, um den Rest des Jahres mit freier, kreativer Arbeit zu verbringen. Er gehört zu den ersten Künstlern, die sich als selbstvermarktend begreifen und definieren.

Als einer der Vorreiter leistet Eliot auch hier Pionierarbeit. Sein Thema ist die materielle Welt, die ihn umgibt. Was er mag oder ihm gefällt, wird verarbeitet. Auch was in seinem Leben eine Rolle spielt, wird bearbeitet. Mit einem Hang zum Skurrilen verändert er nur den Fokus etwas auf das ihn umgebende Alltagsversum. Mag es das in Wien allgegenwärtige Schnitzelbrötchen sein oder ein Eis am Stiel in Schwabing. Junkfood ist etwas, das in seinen Arbeiten genauso auftaucht wie übersehene alltägliche Bilder oder die allgegenwärtigen Massenmedien. Das kann ein in einem Hinterhof abgestellter Wohnwagen sein oder ein Hot-Dog-Stand. Ob bei den Eiskugeln oder der heiligen Scheiße, die Farben fließen vom Objekt. Laut soll es sein und grell, was den Betrachter da anspringt. Darum nutzt er gern Neonfarben. Es schränkt ihn in seiner Farbpalette zwar ein, erhöht allerdings den Wiedererkennungswert. Er nutzt Siebdruck, Stickerei und immer noch Stencil für seine Arbeit. Dies ermöglicht ihm Auflagen herzustellen, um die Preise niedrig zu halten. Somit können sich auch Menschen mit kleiner Geldkatze Kunst, die ihnen gefällt, über das IKEA-Sofa hängen. Es ist seine Art, Kunst unter das Volk zu bringen.

So verschwinden Werke nicht ungesehen als Kapitalanlage in dunklen, klimatisierten Räumen. Pionierarbeit! Am liebsten präsentiert er sich auf Kunstmessen. Dort ist das Publikum breit gefächert und besteht nicht wie bei einer Vernissage in einer Galerie aus den üblichen Verdächtigen, Familie und Freunde und einer Bierrechnung. Hier trifft er außerdem Kollegen zum Austausch und Klönen. Das treibt ihn auch in die sachsenanhaltinische Provinz. Kollegen treffen, die er gernhat. Es ist ihm wichtig, dass diese kleinen Messen am Rande des großen Kunstmarkts nicht untergehen. Die sind wichtig für die Hygiene der Kunstwelt. Auch bietet er schon im Vorfeld einen Workshop für Schüler an.

Als skurriler und schräger Typ wurde er mir beschrieben. Als völlig normalen, freundlichen, sehr rührigen, weltoffenen Menschen mit geistreichem Witz voller wunderbarer Gedanken und Ideen habe ich Eliot erlebt. So einer sollte schon Kunst machen, aber auch als Bäcker würde er Pionierarbeit leisten. Da bin ich mir sicher.

E L I O T the Super – Überblick (Vita/Kunst pdf) sowie auf https://supereliot.de

Die KUNST/MITTE auf einen Blick: 
im Zentrum Magdeburgs

  • Messe: Donnerstag, 5. September bis Sonntag, 8. September 2019
  • Öffnungszeiten: Donnerstag ist Eröffnungsabend von 19:00 bis 23:00 Uhr // Freitag, Samstag und Sonntag jeweils 11:00–19:00 Uhr
  • Veranstaltungsort: AMO Kulturhaus Magdeburg, Erich-Weinert-Straße 27, 39104 Magdeburg

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