Die Absolventen aller Kunsthochschulen und Universitäten zeigen in den kommenden Tagen ihre Abschlussarbeiten. Doch wie geht es danach weiter? Brauche ich eine Galerie und welche ist die richtige?
Kennen Sie das, mit dem Telefon in der Hand Kreise laufen, bis der Küchenboden deutliche Furchen bekommt, weil Sie grübeln, ob Sie nicht doch noch einmal nachfragen können, aber auch befürchten, den anderen zu nerven?
So geht es oft Künstlern, angekommen auf dem freien Markt. Sei es der Galerist, der die Fragen zur kommenden Ausstellung noch immer nicht klar beantwortet hat oder auch ein Kaufinteressent, der sich doch noch einmal melden wollte…
Grundsätzlich sind Grübelspuren auf Küchenböden ja kein Problem. Aber sehr wohl eine große Herausforderung ist ein fehlendes, einheitliches Regelwerk, das Künstlern an den Hochschulen vermittelt werden könnte, damit sie in ihrer künftigen Geschäftigkeit sicherer werden. Manchmal liegt der Gedanke auch nah, dass Galeristen eine gewisse Schule absolvieren sollten: Wenn der Galerist keinen schriftlichen Vertrag anbietet, in dem Provision, Ausstellungszeitraum, Kommissionsdauer, Transporte, Verkaufspreise—und eventuelle Spielräume, Rechte der Verwertung und Pflichten wie Ausstellung, Werbung, fürsorgliche Installation und Lagerung etc.—geregelt sind, dann sollten Künstler diesen mitbringen und zur Disposition stellen. Oder weggehen. Das gilt nicht nur für Absolventen, sondern auch für alte Hasen.
Unzählige Male ist es passiert, dass sich bspw. nicht an die vereinbarten Verkaufspreise gehalten wurde und die Vernissage—für Künstler und deren Sammler—eine böse Überraschung wurde durch unterirdische oder völlig überzogene Preise. Immer wieder werden bereits lang geplante Ausstellungen von Galerieinhabern einfach kurzfristig verschoben. Ins Stammeln kommen dürfte ein Galeriemitarbeiter niemals, wenn er etwas zum Künstler sagen soll. Und nach Beendigung einer Ausstellung muss im Falle des Nichtverkaufs geregelt werden, wie mit den Werken weiter zu verfahren ist. Entweder werden die Werke an den Künstler zurückgegeben oder verbleiben in den Beständen der Galerie, um vermarktet zu werden. Gehen die Werke mit auf Messen, sollten die Künstler nicht an der Standgebühr beteiligt werden. Allenthalben gibt es Merkmale, an denen eine junge oder eine etablierte Galerie auszumachen ist; und diese erkennen zu können, ist hilfreich.
Zu oft hören wir von schlechter Kommunikation oder Missverständen zwischen Künstlern und Galeristen. Und Sammler haben ein sehr feines Gespür dafür, ob sie sich in einer geordneten, klaren Umgebung befinden oder ob seltsame Schwingungen in der Luft liegen!
Galerien sind die wichtigsten Räume, in denen Kunst gezeigt wird. Deshalb brauchen Künstler Galeristen. Sammler auch.
Der Blickaustausch zwischen Betrachter und Kunstwerk gestaltet Identität, schreibt eine intime Geschichte. Wenn hierbei Resonanz eine heftige Lebendigkeit erfährt, ist das ein großer Gewinn für alle Beteiligten. Dazu muss sich der potentielle Käufer sicher im Raum fühlen und vertrauen können. Gute Galeristen beherrschen vielfältige Fähigkeiten, kennen sich in der Kunstgeschichte ebenso wie auf dem aktuellen Markt aus und sind gute Ökonomen. Dazu sind Empathie und feine Geduld im Dialog mit dem Kunden gefragt—soziale Kompetenzen, die nachhaltig Vertrauen schaffen. Denn die Wertschätzung von Kunst wird sozial konstruiert, sie ist nur bedingt oder gar nicht wissenschaftlich nachweisbar.
Die damit einhergehende Unsicherheit bei der Qualitätseinschätzung auf dem Kunstmarkt ist ein natürlicher Hemmer für viele Liquidationsströme. Der Galerist hat hier die Rolle des Vermittlers, ist verantwortlich für die Informationsintegrität (on- und offline) und zweifelsohne ist seine Reputation Hauptbestandteil seines Erfolges. Er muss seine Kunden, ihre Präferenzen und auch Möglichkeiten kennenlernen wollen.
Galeristen, Kunstwerke und Künstler werden generell mit zweierlei Maß bemessen: Am wirtschaftlichen Ergebnis ihrer Arbeit und ihrer Loyalität der Kunst gegenüber.
Galeristen können ohne hohe künstlerische Qualität nicht gut arbeiten. Und Künstler—wie auch Sammler—brauchen die Reputation der Galeristen, um ins Geschäft zu kommen. Deshalb ist es so verwunderlich, wie selten, offen und auf Augenhöhe miteinander kommuniziert wird.
Beide Seiten werden stärker durch die Fürsprache von Kritikern, Fans und Sammlern. Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, lesen Sie den Artikel zu Teilhabe und Support durch Mäzene.
Allen Künstlern sei empfohlen, von den Erfahrungen anderer zu lernen, sich selbst gut (vertraglich) aufzustellen, unbedingt ein Werkverzeichnis zu führen, um Galeristen und Sammlern die Einordnung zu erleichtern, ihr Bild nicht an jeden Nagel zu hängen und im Zweifelsfall nachzufragen: Neben Künstlervereinen und Rechtsanwälten gibt es Trainings und Kunstmarkt-Foren, wie z.B. Kunst und Markt (TU Berlin) und das Berlin Career College, Weiterbildung an der UDK Berlin.
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Kunstsammeln heißt Entdecken! Folgende Häuser öffnen demnächst ihre Türen und laden Galeristen, Sammler und Künstler-Kollegen zu Absolventen-Rundgängen ein, ab:
► 20. Juli: Werkschau – HTW Berlin, Wilhelminenhofstr. 75A, 12459 Berlin, 20.-21.7. jeweils 13-20Uhr – Bereiche: Museumskunde sowie Konservierung, Restaurierung/Grabungstechnik, Industrial Design, Konfektion, Kommunikationsdesign und Modedesign www.htw-berlin.de
► 20. Juli: UdK – Rundgang, Universität der Künste Berlin, Einsteinufer 43, 10587 Berlin www.udk-berlin.de(daneben: Hardenbergstraße 33; 3D-Haus Straße des 17. Juni 118; Medienhaus Grunewaldstraße 2-5; designtransfer Einsteinufer 43; Bilderbuchwerkstatt Ólafur Elíasson, Theaterpädagogik, Berlin Career College Bundesallee 1-12 u.v.m.)
► 20. Juli: Ifa – Jahresausstellung, Institut für Architektur, Architekturgebäude TU Berlin, March Straße, 10587 Berlin, 20.7. 15-22Uhr und 21.7. 12-20Uhr
► 20. Juli: FHP WerkSCHAU 2018 x SCHAUdown, FH Potsdam, Kiepenheuerallee 5, 14469 Potsdam, Sommerfest und Projekte der fünf Fachbereiche Sozialwesen, Stadt | Bau | Kultur, Bauingenieurwesen, Design und Informationswissenschaften www.fh-potsdam.de
Zusatz: ► 25. und 26. August: Tage der offenen Baustelle 2018, Humboldt-Forum, Besichtigung des fertiggestellten Schlüterhof und der Ausstellungshallen des Ethnologischen Museums im 2. OG. www.humboldtforum.com/tdob2018
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