KUNST/MITTE Notes

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„Turmpark first“ — Nashville Künstleraustausch

05.05.2018, Wolfgang Krebs

Die USA. Nicht nur das Land, in dem vermutlich, die unaufgeklärte Menge einen gelbhaarigen, schlecht frisierten Narren zum Leader machte, sonder auch ein Land in dem Menschen leben, welche einen großartigen Eindruck hinterlassen. Wenn es zu einer Begegnung kommt.

Zwei dieser Menschen waren hier in Magdeburg zu Besuch. Eingeladen, 9 Tage im Turmpark in Alt Salbke mit Magdeburger Künstlern zu arbeiten und zu leben. Martica Griffin und Andee Rudloff. Zwei Künstlerinnen aus der Partnerstadt Nashville. Zwei völlig unterschiedliche Arbeitsweisen, zwei unähnliche Stile, zwei konträre Charaktere. Blicken wir auf die Begegnung mit Andee.

Hauptbahnhof Magdeburg, 22.04.2018. Mittag. Andee trifft mit dem Zug ein. Ich warte auf dem Platz vor dem Haupteingang. Verabredetes Erkennungszeichen: Meine rote Brille. Die Reisenden schleppen ihr Gepäck aus dem Bahnhof. Mittendrin eine sehr farbenfroh gewandete Frau mit Basecab, welches durch eine große, im hellen gold-ocker gefärbte Sonnenbrille mit dunklen, braunen Gläsern auf dem gelben Schirm geschmückt wird. Von weitem rief sie lachend: „You are Wolfgang“. Was eher eine Feststellung als eine Frage war.

Ich lächelte und nickte. Darauf riss sie beide Arme in die Höhe und rief „Oh it’s so nice, it’s so nice to be here“. Wir tauschten die obligatorischen Höflichkeiten aus. Wie war der Flug und blablabla; begleitet von einem fröhlichen Lachen, das 8 Tage lang durch den Turmpark und Magdeburg hallen sollte. Im knallroten Golf fuhren wir durch Magdeburg zum Turmpark. Alles war nice und wurde mit einer natürlichen Freude und fast kindlichem Spaß mit dem Handy dokumentiert.

Sehr beeindruckt haben Andee die großflächigen Bilder von Max Grimm an den Fassaden Buckaus. Ihr Wunsch, Max kennenzulernen, ging in Erfüllung. Zur Freude beider. Salopp formuliert: Ein Ei, ein Kuchen. Frau Hilger vom Büro des OBs für Städtepartnerschaften stellte bei ihrem Besuch im Turmpark, bei Ansicht der Malerei von Andee fest, „Das sieht ja aus wie von Max Grimm“.

Andee malt großflächig, bedient sich der Mittel des Graffiti, der Streetart und konventioneller Malerei. Nur Leinwand ist nicht ihr Medium. Die schränkt sie zu sehr ein. Wir stellten ihr einige große Holzplatten zur Verfügung. „Hmmm ja, das ist gut. Gute Größe. Aber viel lieber möchte ich die Wand vom Pumpenhaus bemalen. Ist das möglich?“

Es war möglich und auch noch die große Fischskulptur von unserem Vereinsvorsitzenden und Metallbildhauer Joachim Röderer auf der Wiese am Salbker Platz wurde farbig gestaltet. Joachim und einige Kinder malten mit. In Magdeburg war in dieser Woche auch noch Boys- and GirlsDay. Zwei Schülerinnen verbrachten diesen Tag im Turmpark. Andee konnte die beiden dazu begeistern, mit ihr drei Holzplatten zu bemalen. Es gesellten sich noch andere Kinder dazu und eine kleine Kinderschar malte mit der energiegeladenen, gute Laune verbreitenden Frau munter drauf los allerdings mit Plan. Mehrere Bilder entstanden. Mit fremden Menschen zusammen etwas zu schaffen, ist etwas was die Künstlerin auch in Nashville praktiziert. Mit anderen Menschen Kunst erschaffen macht ihr viel Freude, darin geht sie auf. Zum Beispiel bemalte sie mit einer bunt gemischten Menge einen Bus in Nashville. Die transportablen Werke von Andee sind aktuell in der Ausstellung im Hundertwasserhaus zu sehen. Auch die Werke, welche In Zusammenarbeit mit den Kindern entstanden sind.

Die Neugier auf die Künstlerin plagte mich gar sehr und ich stellte Fragen und sie antwortete lachend. Immer. Lachend. „Hast du Kunst studiert?“, gab es ein lachendes: „Ich glaube schon. Neben dem College habe ich als Student bei vielen Meistern wie Judy Chicago gearbeitet und mit talentierten Akademikern wie Don Evans von der Vanderbilt University und Michael Aurbach, John Warren Oakes von der Western Kentucky University. Zuerst begann ich mit dem Studium der Medizin und dann wurde mir klar, dass die Kunst immer mehr zu dem wurde, was ich jeden Tag tat. Ich wechselte mein Hauptfach und begann mich darauf zu konzentrieren, mehr zu schaffen, von dem was mir wichtig erschien.“ Andee arbeitet als freischaffende Künstlerin, die sowohl Originalarbeiten als auch Auftragsarbeiten in Eigenregie erstellt, aber auch in einem akademischen Umfeld, in öffentlichen oder kommunalen Einrichtungen, als Auftragskünstlerin, in der Kunstvermittlung außerhalb der Hochschule sowie in Galerien und auf Kunstmessen. Inspiriert von der Straße und Keith Haring verarbeitet Andee die Reaktion auf soziale Gegebenheiten, die Umwelt und die Gesellschaft soll ihr Schwerpunkt sein. „Meine Kunst ist groß, mutig, ehrlich und treu zu dem, was ich bin. Ich begrüße andere gern zu diesem (meinem) Prozess, um kreatives Vertrauen in sich selbst und in andere zu wecken. Es gibt keinen Zweifel, dass ich mich in der Kunst am lebendigsten fühle“, sagt sie. Über Politik in ihrer Kunst sagt Andee: „Ja, ich bin auch politisch, besonders mein öffentliches Werk ist an sich politisch, es ist auch politisch Kunst in die Welt hinauszutragen.“ Für sie ist der Akt des Schaffens ist eine Performance, die sie von der Vorbereitung der Oberfläche bis zur Fertigstellung durcharbeitet.

Die Möglichkeit, in Magdeburg zu arbeiten, war aufregend für sie. Es war BIG, hier zu arbeiten. „Ich hatte Glück, Max in seinem Atelier zu besuchen und die ikonische Fischskulptur von Joachim Röderer in Magdeburg zu bemalen… EPIC! Die Erfahrungen in Magdeburg haben meine Erwartungen übertroffen!“, sagt Andee. In ihrer Kunst liebt sie das Risiko. Andee liebt es, wenn Künstler bereit sind, etwas Neues auszuprobieren und hart zu arbeiten, auch wenn sie wissen, dass sie vielleicht kein Jahrhundertwerk vollbringen, aber dass für und durch den Prozess etwas sehr Befriedigendes für Künstler und Betrachter entstanden ist.

Wie ist der Status der Künstler in der amerikanischen Gesellschaft und wie ist der Status der Künstler in Nashville aus deiner Sicht? „Das ist eine heikle Frage. Die Erfahrung übertrifft meine Erwartungen, was die Wahrnehmung von Local-Künstlern angeht. Ich glaube, dass Künstler in Nashville als wichtige Menschen in der Gesellschaft anerkannt werden, welche das Bild von Nashville mitgestalten; wie es ist und wie es sein kann. Nashville hat eine Kunstkommission, die lokale Künstler unterstützt. Lokale Künstler sind auch stark auf die Hilfe kleiner Unternehmen angewiesen. Die Künstler spielen auch eine Rolle, um kreative Tourismusmöglichkeiten zu schaffen.

“Für dieses Treffen im Magdeburger Turmpark gab es in Nashville viel Unterstützung. Besonders durch Joel Dark, den Joachim Röderer und ich hier in Magdeburg trafen und ihm unsere Pläne vorstellten, sowie Lori Odom. Beide sind erstaunliche Befürworter des Austauschs von Künstlern, auch wenn es darum geht, Möglichkeiten für Andee und Martica und in Zukunft auch für andere Künstler zu schaffen. Resümee von Andee über ihren Arbeitsaufenthalt:

„Mein Verstand verarbeitet immer noch diese Erfahrung. Ich schätze die neuen Freundschaften und die wunderbaren neuen Kollegen. Ich bin begeistert. In meinem Kopf dreht sich ein Magdeburger Karussell über bildende Kunst, die öffentliche Wahrnehmung, Preise, öffentlichen Nahverkehr und die Möglichkeiten für zukünftige Kooperationen mit Nashville. Ich mag die Künstler in Magdeburg sehr. Ich finde ihre Arbeit interessant, nachdenklich und spannend! Die künstlerische Identität beider Städte zeichnet aus, dass Kunst ständig und überall stattfindet. Die Städte haben Flüsse und die Menschen haben verheerende Überschwemmungen überstanden, die sie meiner Meinung nach stärker gemacht haben. In beiden Städten gibt es Sprühfarbe […] und beide Städte profitieren von der Wandmalerei.“

Andees Vision von den zukünftigen Treffen ist fast wie ein Traum, aber nicht unmöglich. Sie denkt an ein kollaboratives Kunstwerk oder ein Happening zwischen Künstlern. Sie möchte gern mit unserem Oberbürgermeister dinieren und weitere Leute aus dem Rathaus und der Wirtschaft treffen und vor allem mehr Magdeburger Künstler besuchen. Eine Herzenssache ist ihr, dieses Projekt Magdeburg und Nashville, vereint in der Kunst fortzuführen.

Ein lachendes „Thank you Magdeburg“ zum Abschied zeigt uns Magdeburgern, wir haben neue Freunde. Fröhliche, das Leben bereichernde, kreative Freunde mit guten Frisuren.

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