KUNST/MITTE Notes

Das Web-Magazin für Kunst und Kultur in Mitteldeutschland.

Wenn eine eine Reise tut

20.04.2018, Kirsten Mengewein

Kennen Sie das? Sie planen eine Reise in eine andere Stadt, in eine bestimmte Region, in ein anderes Land und Sie schauen, welche (Kunst-)Museen es in der Stadt, in dem Landkreis oder gar in dem Land gibt und welche Ausstellungen demnächst dort gezeigt werden? Richten Sie vielleicht gar Ihre Reisepläne danach aus?

Nein? Gut, genießen Sie einfach die Stadt, die Region oder das fremde Land. Und wenn Sie das erste Mal vor Ort sind, packen Sie den Stadtplan oder den Reiseführer beiseite und lassen sich doch einfach mal treiben und folgen Sie Ihren Füßen. Wer weiß, an welche wunderbaren Orte sie Sie führen werden. Oder Sie knobeln an der nächsten Kreuzung, ob Sie lieber nach links, rechts oder weiter geradeaus fahren sollen; vorausgesetzt Sie würden dann nicht verkehrt herum in eine Einbahnstraße fahren. Dann natürlich nicht.

Sie konnten, ja mussten sogar die oben gestellten Fragen mit Ja beantworten? Herzlichen Glückwunsch, es geht Ihnen wie mir.

Ich liebe es, Museen, allen voran die der modernen Kunst zu besuchen. Wenn ich durch einen Reiseführer blättre, schaue ich immer, welche tollen Plätze und Museen es zu besichtigen gibt. Ich scrolle mich durch Instagram, benutze passende Hashtags, um passende Inspirationen zu gewinnen. Und wenn es dann noch vor Ort gerade eine interessante Kunstausstellung gibt, umso besser. Gut, Geschmäcker sind hier natürlich unterschiedlich. Mich interessieren vor allem Fotografie, starke Künstlerinnen, Kunst (meist ab dem 19. Jahrhundert), die sich mit politisch kontroversen Themen auseinander setzt.

Für die Fotografin Gundula Schulze elDowy fuhr ich 2007 sogar einmal von meinem bescheidenen Studentinnengeld von Hildesheim nach Ulm und zurück, nur um mir ihre Werke live und in groß anzuschauen zu können.

Und meine Familie schleppte ich bei unserem ersten Wien-Besuch ins Belvedere 21 – Museum für zeitgenössische Kunst. Einige Arbeiten fanden auch sie ganz spannend.

Neben der reinen Kunstschau interessiert mich auch—vielleicht hängt dies auch mit meinem Studium der Kunst- und Kulturvermittlung zusammen—wie Kunst präsentiert und vermittelt wird. So passierte es, dass wir in Delhi im Gandhi-Museum inmitten von Schulklassen und Familien mit Trillerpfeifen—bedient durch das Aufsichtspersonal—an den Exponaten, ehemaligen Wohnräumen, Fotografien und Ausstellungsvitrinen vorbei geschleust wurden. Die Besucher*innen um uns herum drückten emsig den Auslöser ihrer Handy-Kameras. Wahrscheinlich, damit sie im Anschluss noch einmal daheim in aller Ruhe die Ausstellung Revue passieren lassen konnten.
Und als ich beispielsweise Sintra (Nähe Lissabon, Portugal) besuchte und gerade die von Statuen, unterschiedlichster Stile gesäumte Straße zum Königspalast entlang lief, war vor mir eine Gruppe Schülerinnen und Schüler unterwegs. Die Gruppe hatte Aufgabenblätter dabei und betrachtete mit diesen ganz interessiert die verschiedenen Skulpturen und machte sich Notizen.

Auch in Sachsen-Anhalt erlebte ich schon ganz unterschiedliche Ausstellungskonzepte. Mancherorts besuchte ich Ausstellungen, die mit wenig Geld aber dafür mit umso mehr Liebe installiert wurden. Oder aber auch, dass alte, eng bestückte Ausstellungsvitrinen durch aufgeräumte und nun durch-konzipierte, teils interaktiven Ausstellungskonzepten, ersetzt wurden. Ein schönes Beispiel ist hier das Salzlandmuseum in Schönebeck, welches neben einer interessanten, interaktiven Ausstellung zum Thema Salz und dem (einstigen) Leben an der Elbe auch immer wieder kleine Foto- und Kunstausstellungen präsentiert.

Manchmal interessieren mich, neben den Ausstellungen und der Kunst selbst, aber auch besonders die Orte, an denen oder in der die Kunst präsentiert wird. So war schnell klar, dass auf meinem derzeitigen Roadtrip vom Baskenland den Atlantik entlang durch Portugal bis nach Andalusien in Südspaninen das Guggenheim-Museum in Bilbao ein absolutes Muss ist. Innen im Museum skribbelte ich—inspiriert durch den Künstler Henri Michaux, der hier gerade im Rahmen einer temporären Ausstellung gezeigt wurde—Gesichter in mein Skizzenbuch. Außen konnte ich mich kaum satt sehen von dem gold schimmernden, schuppenartig ummantelten Gebäude, welches einer aufgehenden Blume ähnelte. Bei jeder neuen Perspektive, die sich mir bei einem Rundgang um das Museum herum ergab, löste ich erneut den Auslöser. Ja, sogar auf die andere Flussseite ging ich und die Brücke hinauf, wo mir Windböen fast den Kameradeckel entrissen.

Ach ja, wenn es Sie, dank meiner Beschreibung, nun auch nach Nordspanien verschlagen sollte, habe ich gleich noch ein paar weitere Tipps für sie parat. Natürlich dürfen Sie sich neben der ehemaligen Kulturhauptstadt von 2016—Donostia (Ihnen vielleicht besser bekannt unter dem Namen  San Sebastian), den Ort Guernica nicht entgehen lassen. Der Ort, der Picasso zu seinem berühmten, gleichnamigen Gemälde inspirierte. Neben einer Nachbildung auf Fliesen gibt es ein ganz interessantes Museum zum Thema Frieden vor Ort. Auch den Bosque Pintado de Oma empfehlen ich Ihnen.

Hier hat der in Bilbao geborenen Maler und Bildhauer Augustín Ibarrola ein Stück des Waldes bemalt. Ganz wunderbar. Mit jedem neuen Schritt ergeben sich neue Perspektiven auf ganz wunderbare Baumgemälde. Besuchen sie auch das El Capricho de Gaudi in Comillas. Gaudi schuf dieses wunderschöne—mit Blumenornamenten übersäte—Bauwerk im Alter von 30 Jahren. Viele Elemente, die ihn später weltberühmt machten, finden sich bereits hier wieder, wie die Grotte oder allgemein seine Naturverbundenheit. Ja und wenn Sie schon mal in der Gegend sind, fahren Sie noch etwas weiter in den Westen, nach Avilés. Dort wartet das Centro Niemeyer mit wechselnden Ausstellungen, einem Film- und Konzertprogramm auf Sie. Wie der Name es bereits vermuten lässt, dieses Bauwerk wurde vom berühmten Architekten Oscar Niemeyer als Geschenk an das Fürstentum Asturien konzipiert. Etwas unwirklich und mehr als faszinierend wirkt das Bauwerk zwischen den rauchenden Industrieschloten.
Sowohl hier als auch in Bilbao musste ich beim Anblick der Bauwerke an Magdeburg denken. Auch eine einstige Industriemetropole, die neben dem Titel zweitgrünste Stadt Deutschlands, nun auch noch bestrebt ist, sich den Titel »Kulturhauptstadt 2025« an Land zu ziehen. Ob dies gelingen wird, vermag ich ob der Konkurrenz und des Konzeptes nicht sagen. Aber wie bereits mit der Ruhrmetropole Essen 2011 bewiesen oder auch beim Schlendern durch die Straßen Bilbaos selbst bemerkt, ein Imagewechsel einer Stadt kann bei guter Planung und Initiativen vieler gelingen.

Doch ich schweife ab. Im Kern Fragen Sie sich vielleicht »was Kunst mit Reisen zu tun hat«. Hat Reisen nicht auch immer etwas mit daheim zu tun? Denken Sie nicht auch manchmal, was Sie anderes machen würden, wenn Sie von einer Reise wieder in die gewohnte Umgebung zurückkehren? Oder auch, welche neuen Erkenntnisse Sie auf Ihrer Unternehmung gewonnen haben? Das kann auf der Straße sein, im Museum, in der Bahn, im Café, im Park oder auch im Stadion.

Und, wohin geht Ihre nächste Reise? Haben Sie sich schon ein Museum ausgeguckt? Und wenn es nur eine Reise vor die eigene Haustür sein darf: Mitteldeutschland hat auch einige schöne Museen und Galerien zu bieten. Und der Skulpturenpark in Ihrer Innenstadt bieten Ihnen sogar ganz kostenlos den ein oder anderen Kunstgenuss.

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