KUNST/MITTE Notes

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das rote herz

12.10.2018, Dorothea Hertel

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Jens Elgner Inkarnation/Mischtechnik/2001-2004/2,4 x 4,8 m

Einige der Ausstellungen im Forum Gestaltung in der Brandenburger Straße sind Geheimtipps, Preziosen, zu oft von zu wenigen gesehen. Hier soll eine klare Einladung zum Besuch von ELGNER — die rote blume ausgesprochen sein.

Sonntag, früher Nachmittag, herbstlich matt schon das Licht, eine Restglut Sommersonne. Die richtige Zeit für einen Ausstellungsbesuch. Mein Ziel: das Forum Gestaltung. Die Retrospektive ELGNER — die rote blume zum 60igsten Geburtstag des Blankenburger Malers Jens Elgner zeigt Arbeiten aus 20 Jahren intensiven Schaffens, 1997-2017. Über zwei Etagen öffnet sich im Schinkel Vischer Bau in der Brandenburger Straße 9a die Elgnersche Klimazone. Für einen kurzen Moment bin ich auf der Suche nach der einen roten Blume des Ausstellungstitels, doch dann trifft mich unerwartet, kraftstrotzend, ein gewaltiges Triptychon. Inkarnation – die Menschwerdung. Es füllt erbarmungslos den Raum.
Massiger, roter Farbauftrag zur Rechten, körperlich, lebhaft, erdig, fleischlich. Zur Linken ein Weiß, seelenhaft, himmlisch, Gerissenes, vielleicht Papier-, Wolkenfetzen, ätherisch leicht. Trotzdem steht es in seiner Gewichtung dem Rot in Nichts nach. Hier wie da darunter Befindliches überlagert, Linien, Worte, … unkenntlich gemacht, nur mehr zu erahnen, zu erspüren. Verbunden sind die beiden flankierenden Bilder durch ein lebhaftes, auch zerbrechliches Linienspiel im Mittelteil. Eine Drehung, Arme, die sich ausbreiten, die Seele und den Körper, das Weiß und das Rot, aneinander gebunden, zueinander gespannt. Gleichgewicht gebend. So wird der Mensch zum Menschen.

Jens Elgner, 1958 in Blankenburg im Harz geboren, studierte zuerst Architektur, bevor er einen Fachwechsel in die Malerei an der Kunsthochschule Berlin Weißensee vollzog. Bis heute lebt und arbeitet er in Blankenburg. Seine Arbeiten sind abstrakt und unglaublich gegenwärtig. Jens Elgner findet oftmals das Wesentliche, reduziert in Farbe und Form. Viele der rund 60 gezeigten Arbeiten sind unbetitelt. Einige aber tragen Namen — Gescheiterte Hoffnung, Nebeltrinker, Träumer — sie tauchen wie Signalbojen aus der Tiefe an der Oberfläche auf, um eine Position sichtbar zu machen. Ob man sich daran orientieren mag bleibt einem selbst überlassen.

Entlang der Arbeiten Jens Elgners kann man sich auch führungs- weil titellos treiben lassen. Entlang dieser immer wieder zentral auftauchenden spiral- oder kreisförmigen Linien, die manchmal eine Art Herz formen, mit ausladenden Aortenbogen. Oder man kann sich bei Elgner auch auf Wellenkämmen bewegen und in feingliedrigen Booten auf die Reise gehen. Die Leinwände, grobe Jute, Papier, Zink, Hartfaser, Arbeitsgründe so unterschiedlich wie die aufgetragenen Materialien, Acryl, Kohle, Sand…

Und dann entdecke ich sie doch noch die rote blume, vielmehr 4 (oder 5?) in gleicher Art betitelte Arbeiten. Jede für sich anders schön. Das pure Mohnrot, die Blume ganz sie selbst, das Rot zerborsten in Blau und Violett und letztlich nur die Form, das Rot abwesend, nur als Erinnerung im Kopf verblieben. Schön.

Einige Arbeiten sind unter Glas in Vitrinen liegend arrangiert, was die Rezeption sehr schwierig macht, sicher auch die Wirkung der etwas kleinformatigeren Arbeiten abschwächt. Andere Werke würden unter einer besseren Ausleuchtung sicherlich noch erheblich mehr aufblühen.
Nichtsdestotrotz ist es einmalig, in diese kraftvolle und zugleich berührende Bildsprache einzutauchen und dem künstlerischen Herzschlag, dem roten herz des Jens Elgner nachspüren zu können.

Die Ausstellung läuft bis zum 20. Januar 2019. Informationen zu Öffnungszeiten, Eintrittspreisen & Publikationen finden Sie auf der Website des Forum Gestaltung.

PS: wenn ich mir was wünschen dürfte: an der einen oder anderen Stelle eine Möglichkeit sich niederlassen zu können — zum Schauen und Staunen — in aller Ruhe

 

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