KUNST/MITTE Notes

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Eingefrorene Kunstwerke: Eigentum in Zollfreilagern

25.08.2018, Dorothea Hertel


Foto: Ekostsov

Handelt jemand mit Genussmitteln wie Alkohol aus verschiedenen Regionen der Welt oder mit kostenintensiven Waren, bspw. Marmor, Seidendamast oder antiquarischen Holztäfelungen für Yachten, ist es ohne Frage interessant, Bestände zum Zeitpunkt ihres niedrigsten Preises in großen Mengen zu kaufen, um sie dann im zoll- und steuerfreien Raum so lange zwischenzulagern, bis ein Kunde einen Teil davon bestellt. Kauft also eine US-Amerikanerin in Übersee und Europa ein, braucht die Ware jedoch nicht unmittelbar, ist es schlau, selbige direkt in ein Logistikzentrum in einer Freihandelszone liefern zu lassen. Einfuhrzölle (und manchmal Umsatzsteuern) werden erst bei Import, d.h. wenn eine Bestellung ins Inland (z.B. USA) erfolgt, fällig und nur auf die jeweilige Menge. Geht die Bestellung in einen ausländischen Markt, fallen die Zölle gänzlich weg. Freihandelszonen gibt es viele, u.a. in Delaware (unweit vom Big Apple), Singapur, der Schweiz oder Pudong in China.


Pudong, Foto: Angelika Bentin

Erhält ein Bieter den Zuschlag auf ein sehr hochpreisiges Los bei einer Kunstauktion, ist allerdings nicht selbst an dem Werk interessiert, sondern spekuliert auf eine gute Gewinnspanne muss er es eine Weile halten. Um es nicht zu verbrennen wirft er es dabei erst ein paar Jahre später wieder auf den Markt. Einige Sammlungsberater empfehlen dazu das Kunstwerk ohne Umweg des Imports ins eigene Land für diese Zeit direkt zoll- und steuerfrei in einen solchen Freihafen—oder auch Kunstfriedhof—liefern zu lassen. Die dort eingelagerten Werke im Wert von mehreren Milliarden Dollar sind für jegliche Öffentlichkeit verschlossen.

An dieser Stelle könnte man ins mehrwöchige Diskutieren kommen: Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen könnte, solch ein erworbenes Werk nicht mit eigenen Augen betrachtet zu haben, toben sich natürlich alle Kritiker der pekuniären Intransparenz des Kunstmarkts aus und vermuten hinter den unkontrollierbaren, diskreten Geschäften mit der Kunst sogleich Schwarzgeldwäsche und Schlimmeres. Ok, aber sicher handeln nur die Wenigsten innerhalb solcher Möglichkeiten. Die mittlerweile zahlreich besprochene große (Werte-)Verwirrung, wie der Preis eines Kunstwerkes zustande käme, ist doch nun auch überholt. „Der Preis ist das, was du zahlst und der Wert ist das, was du bekommst.“, kennen wir von Ben Graham und wissen, dass insbesondere in der Kunstwelt Kaufentscheidungen von Emotionen getragen sind. Und obwohl die Kreditwirtschaft „endlich auch das letzte noch nicht beleihbare Gut Kunst kreditfähig“ machen möchte, ist klar, dass nicht viele Kunstsammler und Kunsthändler in Zollfreilagern deponieren.

Wie viele Kunstwerke gibt es auf der Welt und wie viele davon liegen in Zollfreilagern? Wenn einzelne Werke der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen—wo auch immer man hier die Grenzen zieht—dann müssen die Häuser auch die Depot- und Konservierungsmöglichkeiten haben. Haben Sie aber nicht! In den Depots der Museen liegt unermesslich viel totes Kapital… Ich habe dazu viele Beispiele aus unserer Provenienz- und Sammlungsforschung, die von Kunstsammlern privat initiiert und finanziert wird.

Aus kulturhistorischen Gründen relevante (und anständig restaurierte) Kunst in großen Museumsausstellungen zu zeigen, wird vornehmlich über (Privat-)Leihen realisiert; und sich dabei einem Verkaufsschlager-artigem Challenge unterworfen, der mit bestehendem Kulturgutschutz auch nicht viel zu tun hat. Keine Frage: Es ist schade, wenn in Freihandelszonen bedeutende Kunstwerke eingefroren sind, aber es gibt Kaufverträge, die Besitzfragen regeln. Der mir wichtigste Aspekt in dieser Angelegenheit ist die Wahrung des Urheberrechts des Künstlers (respektive der Erben), gerne auch in Verbindung mit dem lebenslangen Ausstellungsrecht und dem Folgerecht gemäß § 26 Urhebergesetz – der europaweiten Regelung, die eine Beteiligung des noch lebenden Künstlers oder seiner Erben bei einem Weiterverkauf eines Kunstwerks vorsieht, bis zum Ablauf der Schutzrechte.

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