KUNST/MITTE Notes

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Von Nutzlosem und Sinn

14.06.2019, Wolfgang Krebs

Mr. Smith, der ruhige, immer lächelnde Brite, ist hier in Magdeburg zu Hause. Was für ein Glück für Magdeburg, welch ein Pech für das Empire. Christophers Atelier ist das wohl hellste und aufgeräumteste Atelier, in dem ich je mit einem Künstler plauderte.

Vielleicht braucht es diese Ordnung, um etwas zu schaffen, was so ruhig, unaufgeregt und geordnet daherkommt wie die Skulpturen dieses Künstlers. Die ersten Skulpturen, die ich vor einigen Jahren von ihm erfahren durfte, waren aus Holzleisten zusammengefügte geometrische Gebilde.

Na ja, es waren eben Holzleisten, die geometrisch zusammengefügt sind. Es ist wie Synchronschwimmen, ich denke »na und…« und kann trotzdem nicht meinen Blick abwenden. Seitdem ist einige Zeit vergangen und Mr. Smith stellt nun im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg aus. Eine kleine, aber feine Präsentation. Sperrige, voluminöse Skulpturen, die mit viel Gewicht immer noch grazil wirken. Sicher dienen einige dazu, um den Kontakt in andere Dimensionen aufzunehmen, denke ich.

CHRISTOPHER SMITH surface (Ausstellungsansicht) © W. Krebs

»Jenseits der Leere« aus Metall und Glasflaschen, »Die Eselsbrücke« aus Holz, Kunststoff, Leuchtstoffröhren, Diapositiven oder der »The light sleeper« aus Industrieventilator, Metallkonstruktion, Glasflaschen senden ins Nirgendwo meiner Fantasie Signale. Es sind Skulpturen, die mich in ihrer Gesamtheit beeindrucken, um mich im Detail zu überraschen. Das Wissen über das Detail vernichtet bei mir oft den ersten Eindruck. Hier nicht. Natürlich weiß ich nun um die Glasflaschen, aus denen jemand den Inhalt auf Teller, in Tassen oder seine Kleidung kleckerte, Dias, die ein Papi aus sentimentalen Gründen für die Familienchronik anhäufte, Industrieventilatoren, welche mit Frischluft dem Malocher das Arbeitsleben angenehmer machten. Ich weiß auch, irgendwann wurden diese Dinge nutzlos. Was keinen Nutzen mehr sein eigen nennt, wird aussortiert, entsorgt und vergessen. Da kommt jetzt der Künstler daher, macht seinen Job und produziert aus dem Ausgedienten seine Kunst. Er gibt den Dingen eine andere Aufgabe. Er fügt sie kunstvoll mit Fantasie zu etwas Neuem zusammen. Er schafft daraus Formen und ordnet einen anderen Sinn neu zu. Der physische und psychische Kontakt zu den Dingen inspiriert ihn. Das Ergebnis wiederum berührt mich emotional und intellektuell. Eine gelungene Sinngebung nach der Nutzlosigkeit.


CHRISTOPHER SMITH surface (Ausstellungsansicht) © W. Krebs

Nun verhält es sich so, dass Christopher die Dinge findet und kein heiliger Flash durch seinen Körper fährt, der ihm dann den Weg weist. Es ist oft ein monatelanger Prozess, bei dem er sich mit dem Material beschäftigt; es durchdenkt, ordnet, Formen sucht, verwirft, neu ordnet, bis es zu einer Metamorphose kommt, deren Ergebnis vom Wesen und dem Zusammenwirken der Dinge eine Form mit Strukturen ergibt, in denen ich mich verliere, ohne das Detail zu beachten. Wie beim Synchronschwimmen. Da starre ich auch nicht auf den Busen der einzelnen Schwimmerin, sondern erfreue mich an den kaleidoskopartigen Gebilden, welche geschaffen werden.


CHRISTOPHER SMITH surface (Ausstellungsansicht)
© W. Krebs

Bei den Skulpturen von Christopher Smith interessiert mich auch nicht, was der Künstler dachte bei der Erschaffung des Werks, sondern, was das Werk mit mir macht. Welche Emotionen bringt es zum Schwingen? Und diese Werke zupfen mich auf eine seltsame Weise an. Eine Faszination, wie sie der Teilchenbeschleuniger von Cern oder das sterile Innenleben in einem Atomkraftwerk oder auch nur das Fahrrad-Rad von Marcel Duchamp hervorrufen, geht von ihnen aus. Sie senden Botschaften in das Universum meiner Empfindungen und das hier ist meine Kontaktaufnahme. Ach ja, außer den drei Skulpturen hängen noch drei Kohlezeichnungen an der Wand. Die Macht mit der Kunst möge sein.

CHRISTOPHER SMITH | surface | Einzelausstellung
30. Mai – 1. September 2019 Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg


CHRISTOPHER SMITH surface (Ausstellungsansicht)
© W. Krebs

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