Kannst du was über die Hyperschale schreiben? — Ja, kann ich, aber wozu?
Oberbürgermeister Trümper hat eine gute Entscheidung getroffen, um das imposante Denkmal zu retten. Bravo. Ja, unbestritten, aaaber die MVGM wird es verwalten. Die Anwesenden blickten mich an, als würde ich mit den Fingernägeln auf einer Schultafel entlang schaben. Na und…
Niveau… das Niveau… wo ist das Niveau..?
Welches Niveau? Die MVGM betreibt vom AMO Kulturhaus bis zum Elbauenpark alle großen Veranstaltungsstätten in unserer Stadt. Die kosten Geld. Geld für den Unterhalt, Geld für das Personal, Geld für Wasser, Strom, Heizung, Winterdienst, Reinigung, Verwaltung, Künstler und und und… Das muss erwirtschaftet werden. Finanzieller Druck bestimmt das Programm; hauptsächlich. Der persönliche Geschmack der Verantwortlichen ist daraus schlecht herzuleiten; hoffentlich.
Am Ende des Jahres zählt nicht, ob du Shakespeare oder Simmel gemacht hast, sondern Zuschauerzahlen und Einnahmen. Letztendlich bekommen die Bürger, was sie wollen. Bei Helene Fischer quieken mehr Menschen vor Verzückung als bei Stockhausens Kompositionen für ein Streichquartett und einem Hubschrauber.
Intellektuelle Vollwertkost ist nicht angesagt. Geistige Diät verursacht kein Unwohlsein und ist einfacher zu verarbeiten. Ergo: Gebt dem Volk, was es will. Die Masse der Bürger bestimmt die Niveaulinie. Jede Stadt hat ihre Niveaulinie. Wir sind in Magdeburg. Schöngeister und kulturelle Avantgarde, künstlerische Visionäre sind in Magdeburg dünn gesät. Kaufleute und Krämer sitzen an den Schaltstellen und die richten sich schon immer nach dem Plebejern; eigentlich.
Nun trug es sich zu, dass Steffen Schüller von der MVGM über die zukünftige Bestimmung der Hyperschale sagte: „Mit einer Lokalität könnte die Stadt deutschlandweit punkten.“
Was soll ich sagen, der Mann hat recht. Ob der Plan in der Hyperschale ein Tagungs- und Schulungszentrum zu etablieren, deutschlandweit eine hohe Punktzahl einbringt, wage ich mit allem Respekt zu bezweifeln. Denn die Auswahl der Riege der Punktrichter ist arg eingeschränkt. Den gemeinen Bürger ist es deutschlandweit total Schnuppe, was Magdeburg für ein tolles BlaBlaBla-Zentrum besitzt. Das interessiert nur die Leute, die dieses benutzen.
So die allseits beliebten Banker, Versicherungen, Mediziner, SchakaSchaka-Gurus und die grauen Herren, die auch Momo auf den Zeiger gehen. Ein Nutzen für die städtische Wirtschaft ist durchaus zu erwarten. Hotels, Gastronomie, Veranstaltungs- und Messebau-Unternehmen, Nutten und Koks-Dealer werden durchaus ihren Schnitt machen. Was über die Steuer auch der Stadt und dann dem Bürger zu gute kommt. So möchte ich hoffen. Aber ist das auch des Bürgers Wille. Ich weiß es nicht. Bringt uns das dem Traum Kulturhauptstadt etwas näher? Auch das weiß ich nicht. (Trotzdem muss ich dabei grinsen, warum nur. Gut, Grinsen unterdrücken und weiter.)
Um noch ein abgedroschenes Zitat zu bedienen: „Ich habe einen Traum.“ M. L. King möge mir verzeihen, seinen großen Traum mit meinem zu verwurschteln, zumal sein Traum sich verwirklichen lässt, meiner nur ein Traum bleibt. Nichts desto trotz lasst uns über Träume reden.
Klar ist, aus der Hyperschale muss kein Kunsttempel werden. Auch der Volksbelustigung sollte das Bauwerk nicht dienen. Was ist, wenn in Magdeburg ein Zeichen gesetzt wird, das europaweit punktet. Was ist, wenn die Hyperschale eine EineWelt-HyperSchale wird. Ein Ort, der denen zur Verfügung gestellt wird, welche nicht zur breiten Niveau bestimmenden Masse gehören. Denen, die so oft Randgruppe genannt werden, dass sie schon selbst daran glauben, eine Randgruppe zu sein und stetig um ihre Existenzberechtigung kämpfen.
Geben wir das Haus anderen Kulturen, den Menschen, die unter dem Regenbogen lieben, denen, die eine Heimat verloren haben. All denen, die wir kennenlernen, als unser Gleichen begreifen und nicht ablehnen sollten. Denen, die das Zeug dazu haben, unser Leben zu bereichern und unsere Niveau-Grenze nach oben zu öffnen. Geben wir ihnen diesen Ort. Wo wir uns kennenlernen können und das Gefühl, „ich kenne es“ und „wir gehören zusammen“, mit in unseren Kiez nehmen. Damit kann Magdeburg punkten. Von Braun und Grau zu Bunt.
Überzeugen wir die Reichen und Mächtigen davon, dass es notwendig ist und der geistigen Gesundheit dient, auch mal nicht profitabel, sondern im Geiste der humanistischen Dichter und Denker zu handeln und das Projekt nach amerikanischem Modell per Foundation zu finanzieren. Fragen wir die Bürger der Stadt, was sie möchten. Lassen wir sie entscheiden. Peng, geplatzt.
Der Traum ist aus…
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