KUNST/MITTE Notes

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100.000 Euro oder 100.000 Downloads?

09.03.2018, Dorothea Hertel

Es gibt Impulsvorträge, die reißen einen mit und es gibt Interviews, die lassen keine Fragen offen. Wir haben beides erlebt mit pinkwhy—und müssen jetzt mal darüber reden! Im Grunde war die wichtigste Frage bei dieser Recherche: Ist dieser Anbieter von Kunst auf dem digitalen Markt ernst zu nehmen? Und wenn ja, warum?

Viel besprochen sind auf allen Kanälen sich verändernde Verhaltensweisen unserer Nachfolgegeneration: Die Digital Natives schaffen sich Wissen und Informationen ganz anders auf ihre Gehirnmodule als ältere Generationen, die das Querlesen von Texten noch trainieren mussten. Heute wird alles flugs gescannt und gespeichert; oder eben sofort gelöscht. Künstler posten auf Instagram ihre neuesten Arbeiten und Ausstellungen, um ihre Fans zu begeistern, während sich Urheberrechtsprofis an den Kopf greifen, da diese Bilder doch für immer verschenkt seien! Hier teilen sich die Massen; und hier bezieht pinkwhy Stellung. Indem sie ganz einfach argumentieren, dass es in der Musik- und Buchbranche nicht anders läuft: „Satisfaction von den Stones wäre niemals so erfolgreich geworden, wenn die Band nur einmal das Mastertape verkauft hätte!“, vergleicht Joerg Schnurre, Gründer von pinkwhy.


Künstler Eliot the Super in verschiedenen Download-Formaten auf pinkwhy

Das heute gängige Anteasern von neuen Alben mittels erstem Gratissong (auf iTunes, YouTube, Spotify und Amazon) sollte nichts anderes sein, als der Download-Kauf eines Kindle-Buchs oder die Akzeptanz von künstlerischen Reproduktionen. „Monet wurde ja mehr als einmal verkauft—es gibt viele Leute, die ein Motiv schön finden, sich aber nur das Plakat oder die Postkarte davon leisten können!“, ergänzt Schnurre. Darum geht es bei pinkwhy: Es ist eine Plattform, bei der sich User in drei unterschiedlichen Formaten eine Arbeit downloaden können, wie anderswo ein Musik-Song einzeln gekauft wird. Das Bild lässt sich dann als Sperrbildschirmmotiv einrichten oder auch auf einem Screen im Wohnzimmer platzieren. Dass es dafür einen Markt gibt, zeigt The Frame—ein digitaler Rahmen von Samsung. Nach der Philosophie von pinkwhy wird allerdings jeder Screen zur digitalen Leinwand.

Im Gegensatz zum Facebook-Screenshot agieren die Nutzer so nicht illegal. Und im Gegensatz zum eigenen Snapshot bei einer Ausstellungseröffnung bekommen die Fans bei pinkwhy ein perfektes Bild, freigegeben vom Künstler, als High-Resolution-Datei sogar vergrößerbar (die Nutzungsrechte verbleiben hier im privaten Bereich). Und der Künstler wird unterstützt: Pro Download zahlt der Käufer zwischen 0,99€ bis 11,99€.


Keine Taschen, keine T-Shirts, aber ein Kunstwerk im digitalen Frame

Eigentlich steckt hinter der Plattform die Struktur eines Kunstverlages; nur eben digitalisiert. Und wer sich tiefergehend mit ihrer handfesten Philosophie beschäftigen möchte, lese hier nach.

Sperrbildschirm: Ein Bild hat jeder dort—warum nicht ein Artwork—und dabei den Künstler unterstützen?

Wer zum Beispiel einen Siebdruck von Eliot the Super kauft (135€), bekommt einen Download on top. Und dann werden auch Freunde oder Kollegen aufmerksam.

Persönlich treffen könnt ihr Joerg Schnurre zum Beispiel, wenn er im Mai auf der Stroke in München nach neuen Künstlern Ausschau hält oder mal im Berliner Urban Nation Museum vorbeischaut. Natürlich weiß er um die Wirkung einer Original-Leinwand und City StreetArt: Das vergleicht er sehr schön mit einem Musiksong, der sich zwischen Albumversion, Livekonzerterlebnis und unplugged-Konzert extrem unterscheiden kann, obwohl es ein und derselbe Song ist. Offenbar stellt sich heute nicht mehr nur die Frage, ob ein Werk 100.000 Euro kostet, sondern auch, ob ein Künstler 100.000 Downloads generieren kann?

Mit pinkwhy will das bald fünfköpfige Team auch Antworten finden auf die Frage: Womit können Künstler—vornehmlich Sprayer—eigentlich weitere Einnahmequellen generieren, vor allem in den Wintermonaten?

Für mich als Expertin für Originalarbeiten bleibt spannend zu beobachten, inwieweit die User solche Angebote nutzen. Und ich finde es absolut legitim, den Kunstinteressierten jeweils die Wahl zu lassen. Ich glaube, hier existieren viele Wege parallel und wer bisher ausschließlich auf die Wirkung einer echten Leinwand gesetzt hat, wird auch dabei bleiben, denn nicht Lumas oder pinkwhy verändern den sogenannten Kunstmarkt, sondern die Käufer entscheiden, was sie möchten. Darin sollte jeder so frei sein wie es auch die Künstler sind, die jeden Tag entscheiden, die Bildrechte von ihren Arbeiten an facebook abzugeben, um ihre Fangemeinde aufzubauen; entgeltfrei.

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