KUNST/MITTE Notes

Das Web-Magazin für Kunst und Kultur in Mitteldeutschland.

Streifzug durch Magdeburg

23.02.2018, Kirsten Mengewein

Fragmente vom Spaziergang einer Gruppe Kunst- und kulturinteressierter Menschen durch Magdeburg; gespickt mit kunst- und rezeptionspädagogischen Methoden.

»Wir stellen aus, was für Magdeburg gut ist.« antwortet Herr Gellner, Sammlungskurator des Kunstmuseum Kloster unser lieben Frauen einer Gruppe junger Menschen, die im Museum zu Besuch sind.

Bilddiktat | Gruppenarbeit
Eine Person beschreibt ein Bild/Kunstwerk gut gegliedert und präzise, während die andere Person oder die Gruppe versucht, das Bild nach dieser Beschreibung zu zeichnen oder zu malen.

Es ist 10:00 Uhr. Die polierten Stahlspiegel öffnen sich langsam, das Licht von außen bricht sich darin und ein Zerrbild der Außenwelt dringt durch die Bauhaus-Fenster nach innen. Ein kleiner Ausschnitt der Kunst dringt nach außen. Die Gruppe bewegt sich einzeln oder zu zweit durch die Räume. Gleich zu Beginn säuselt es um sie herum. Es kommt von den Wänden. Blumen ranken empor. Doch bei genauer Betrachtung, entpuppen sich diese als kleine Lautsprecher: Eine verlandschaftende Sound-Arbeit von Robin Minard. An anderer Stelle hat der Künstler Bücher mit Sound unterlegt.
In der ersten Etage eindringliche Fotoarbeiten von Phillip Tolendano Days With My Father & A New Kind of Beauty und die Gruppe fragt sich, was schön ist.
Und es kommt die Frage auf, wo Begegnung heutzutage noch möglich ist. »In der Kunst« meint Uwe Gellner. »Alles andere ist Großindustrie.« Recht hat er. Im Herbst 2017 eröffnete endlich der IKEA in Magdeburg. Großindustrie wie das als besonderes Happening gedachte Panorama der nächtlichen Skyline von Magdeburg, das man im neueröffneten IKEA Magdeburg erwerben kann. Oder aber wir kommen in Kontakt mit bekannten oder eher unbekannten Künstlerinnen, lernen ihre Arbeiten schätzen, setzen uns mit den Arbeiten auseinander. Vielleicht leisten wir uns dann sogar am Ende das ein oder andere Werk für das heimische Wohnzimmer. Es hängt also an uns selbst, ob Kunst auch in Zukunft noch Bestand hat.

Collage | Einzelübung

Besorge dir Kopien der Kunstwerke.
Zerschneide sie, setze sie neu zusammen, übermale sie oder verändere die Komposition.
Wie wirkt das Kunstwerk jetzt auf dich?

Ortswechsel. Das Kunstkollektiv zieht weiter und besucht die Stadtbibliothek. Erfährt, wer früher gelesen hat und wie die Auswahl der zu lesenden Literatur erfolgte. Diese wählte eben nicht die Leserinnenschaft selbst aus, sondern eine Bibliothekarin entschied was die jeweilige Person zur Geistesbildung zu lesen habe. Heute ist das glücklicherweise anders. Und auch andere Dinge haben sich geändert. Die Onleihe via E-Book-Reader ist hier heute nicht mehr weg zu denken. Und noch etwas macht die Stadtbibliothek für ihre Besucherinnen: Sie bringt Kunst, Fotografie und Literatur zusammen, in Form von Ausstellungen und Lesungen. Sie schafft damit Korrespondenzen, Möglichkeit und Zeit für die eigene Meinungsbildung durch einen umfassenderen Blick.

Interview | Übung im 2er-Team

Zu zweit führst du mit einer anderen Person ein Interview über ein oder mehrere Kunstwerke, Kompositionen, Filme oder Inszenierungen.
Eine Person von euch ist zuerst Kunstexpertin, die andere stelle Fragen: Was sagen die Kunstschaffenden über ihr Werk? | Was könnte der geschichtliche Kontext sein, in das sich das Werk einordnen lässt? | Was fällt dir noch dazu ein? Welche Assoziationen hast du dazu?
Nach 10 Minuten werden die Rollen getauscht.

»Wer heute noch Musik studiert, ist sehr mutig. « entgegnet Herr Kähne vom Konservatorium Georg-Philipp-Telemann Magdeburg den Besucherinnen. Der stellvertretende Direktor sprüht vor Leidenschaft für seine Arbeit während er spricht und zusammen mit einer FSJlerin den Anwesenden eine kleine musikalische Kostprobe—ein Zusammenwirken aus Klavier und Saxophon—zum Besten gibt. Eigentlich ist der Begriff Arbeit oder auch Job, wie bereits auch an den anderen besuchten Orten festgestellt, falsch bzw. inkorrekt. Das Wirken hier oder anderswo im Kunst- und Kulturbereich kann nur durch Leidenschaft funktionieren. Und so wird die Zeit hier in der Musikschule vom Rhythmus bestimmt: Das Wechselspiel zwischen Einzel- und Gruppenunterricht, das Finden des richtigen Instrumentes, ob Holz- oder Blechbläser, Saiten-, Tasteninstrument oder letztendlich die eigene Stimme, Orchesterprobe und Talentwettbewerb. So »vergeht die Zeit im Herzen« und wer mindestens 10.000 Std. an einem Instrument geübt hat, kann von sich behaupten, es wirklich zu beherrschen.

Tableaux Vivants (lebendiges Bild) | Einzelübung oder im Team
Stelle mit deiner Gruppe oder allein die Positionen der Personen auf einem Gemälde, in einem Stück, in einem Werk, einer Skulptur nach. Was hören, riechen oder sagen die dargestellten Personen? Wie fühlst du dich dabei?

Das Puppentheater ist eine gemeinsame Verabredung zwischen Puppenspielerinnen und Zuschauerinnen. Die Gruppe ist eingeladen, aktiv zuzuschauen, indem sie—beziehungsweise jede einzelne Person—sich auf das Stück und dem Handeln auf der Bühne einlässt. Nur so kann die Puppe, egal ob Halbkörper- Hand-, Klappmaulpuppe oder Marionette, vor der jeweiligen Betrachterin lebendig werden. Zuschauerinnen sind zum anders Ansehen angehalten, die Phantasie und die Kreativität wird geschult. Das Kunst und Kultur auch in schweren Zeiten wichtig und in keiner Weise überflüssig sind, zeigen die—aus Bettpfosten oder Essensresten im Kriegsgefangenen-Lager—geschnitzten Figuren, die in der Puppentheater beheimate Puppenspiel-Sammlung ausgestellt sind. Kultur und Kunst ist so zeitgeschichtliches Dokument und Ausdrucksmittel zugleich.

Stiller Rundgang | Gruppenarbeit
Bewege dich in der Gruppe still durch die Ausstellungsräume. Betrachte die Kunstwerke, das Musikstück, das Werk in Ruhe ohne dich darüber auszutauschen. Unterhalte dich im Anschluss mit deiner Gruppe über eure Erfahrungen.
Was hast du/habt ihr gesehen und welche Positionen vertrittst du/ihr nun durch den Austausch danach in der Gruppe?

Austausch mit freischaffenden Künstlerinnen im Q-Hof im Stadtteil Buckau. Fragen wie »Wie definierst du für dich selbst Kunst?«, »Ist Kunst überflüssig? Kann Kunst überhaupt überflüssig sein?«, »Braucht Kunst einen praktischen Nutzen?«, »Was muss Kunst?«, »Wie erreicht Kunst die Menschen?« stehen im Raum. Es wird sich ausgetauscht, interessiert gelauscht und auch mal kritisch nachgefragt. Die Antworten unter anderem »Ich mag es, wenn Kunst irgendwo hängt. Dann bekommt Kunst etwas Praktisches, einen praktischen Nutzen.« oder »Kunst muss im Grunde gar nichts.«, »Kunst ist Offenbarung.« und »Kunst muss nicht gefallen«.

Die Stipvisite ist vorbei. Am Ende bleiben die Leidenschaft und die Begeisterung in den Köpfen. Sie verbindet Kunst- und Kulturschaffende mit den Rezipientinnen. Die Vielfalt der Kunst- und Kulturlandschaft hält für alle etwas bereit, da sie so individuell ist, wie wir Menschen.

Kunst kann alles, berührt tief im Herzen.

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